2013
Puh, langsam mache ich mir Gedanken um den Geisteszustand meiner gelernten Säckchenwerfer. Vorletzten Freitag haben die unsere Koffer gepackt, die Küchenkiste, mein Körbchen und das Bettzeug. Klar: Urlaub!
Und ausgerechnet dann hatte ich wieder Probleme mit meinem hinteren Bewegungsapparat. Diesmal aber rechts. Bestümmt wieder so ein Teilabriss des Syndesmosebandes, oder so. War aber guter Hoffnung, dass sich die schlümmen Schmerzen auf der Hinreise in Schonhaltung in der Autokiste verflüchtigen oder ich sie mir am Strand einfach wieder herauslaufe.
Aber der Reihe nach: Ob widriger Umstände sind wir nach langem Hin und Her dann erst am Sonntagmorgen losgefahren. Die hässlichen Details möchte ich euch lieber ersparen. Auf der Fahrt haben wir andauernd Pausen gemacht und ich kam gar nicht dazu, tief und selig in meiner Autokiste abzuratzen. In Fritten-Belgien muss man jetzt an der Tanke Vorkasse leisten, sonst gibt es keinen Sprit! Die spinnen, die Belgier. Und außerdem ist halb Belgien eine einzige Autobahnbaustelle. Auf insgesamt über dreißig Kilometern mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 (in Worten: fünfzig) km/h. Der Klaus bekam voll die Krise und hat sich dann an ein weiß/rotes Nummernschild drangehängt und ist mit 90 durch die Baustelle gebrettert. Immer in der Hoffnung, das weiß/rote Nummernschild gehört zu einem Eingeborenen, der weiß, wo die Blitzer stehen. Hat geklappt!
Und es war hölle heiß! Obwohl der Touran ja extra für mich seine Heckscheiben abgedunkelt hat und die Komfortklima-automatik ihre Arbeit tapfer und spritfressend verrichtete, hätte ich, wenn ich gekonnt hätte, voll geschwitzt. Selbst in Frankreich, meinem geliebten "La France", hörte der Lorenz nicht auf zu knallen. In der Picardie zeigte die Temperaturanzeige des Fahrerinformationssystems 31°. Stau- und baustellenfrei ging es einmal komplett längs durch die Haute-Normandie und rüber über die Pont de Normandie. Geradeaus bis Caen und dann quer über Bayeux und Isigny-sur-Mer rüber auf die Westseite der Manche nach Portbail in der Basse-Normandie.
Aber ürgendwie war doch alles ein bisschen anders als sonst. Der Klaus kümmerte sich nach unserer Ankunft um das Einrichten im Ferienhaus, das diesmal eher eine Einliegerwohnung mit eigenem abgeschlossenen Garten war. Sabine machte nix und saß nur rum. Sonst sitzt der Klaus nur rum und kippt sich Dosenbier hinter die Binde. Na, egal: Hauptsache Urlaub.
Der Strand war auch nur 300 Meter vom Haus entfernt. Wenn man also einen Hund hat, der wo an der Leine gehen kann, der wo nicht alles jagt und ankläfft was sich schneller bewegt als eine Schnecke, der, der kann auch zu Fuß dahin gehen. Wir fuhren! Allerdings ein Stückchen weiter, wo man gleich am Strandzugang parken kann. Der Strand war riesig! Und zu unser aller Überraschung fast menschenleer. Trotz Hochsaison. Ich konnte rennen, toben, schwümmen und Möwen jagen so wie immer.

Und wieder zurück im Ferienhaus gab's ein großes Feuerwerk in Barneville, das wir vom Garten aus super ankucken konnten. Was die Franzosen nicht alles anstellen, um der Sabine zum kugelrunden Geburtstag zu gratuliere. Zwar eine Stunde zu früh, aber in Frankreich hält man es ja nicht so genau mit der Pünktlichkeit.
Und am Montag sollte dann groß gefeiert werden. Mit Hummer für die Zweibeiner und Kalbsknochen für mich! Denn montags ist in Portbail immer Wochenmarkt und da gibt es alles lecker und frisch. Doch an diesem Montag war nix mit Marché! Denn nämlich, war am Sonntag der Jahrestag der "la prise de la Bastille", den die Franzosen immer groß feiern. In etwa so, wie wir den Tag der Deutschen Einheit, hi hi.
Blieb dem Klaus nix anderes übrig, als in den Supermarkt zu fahren, um zu retten, was zu retten war. Doch auch im Supermarkt war das Angebot eher übersichtlich. Gerade so, wie in einem Dritte-Welt-Laden. Auch die hatten nix Frisches. Deshalb waren da auch nur Holländer, Deutsche und Briten. Immer zwei Erwachsene mit zwei bis sechs Kindern. Daher war der Laden voll und Klaus hatte mal wieder 'ne Krise.
Sabine lag immer noch bräsig auf der Couch und statt Festessen gab's wahlweise Chipolata oder Merguéz mit Salat und für mich einen Kalbsknochenersatz. Der Hummer war dann am nächsten Tag reif für ein heißes Bad in der Court-bouillon und der riesige Kalbsknochen musste vom Metzger einmal in der Mitte durchgesägt werden, damit er überhaupt ins Auto passte.

Meine Malesse mit dem rechten hinteren Bewegungsapparat hatte sich schnell gelegt. Die ausgeglichene Bewegung am Strand, das Waten im seichten Wasser und das Schwümmen in den tosenden Fluten des Ärmelkanals wirkten Wunder. Nur noch ein gelegentliches leichtes Ziehen war zu verspüren, wenn ich im Garten mal wieder ein Räppelchen bekam und kurze Sprints und riskante Wendemanöver vollführte.
Jeden Tag waren wir mindestens zweimal am Strand und es war immer total warm und die Sonne hat total geschienen und ich hatte trotz Hochsaison total viel Platz, um die anderen Leute in Ruhe zu lassen.
Und als wir dann am Donnerstag vom Strand zurückkamen, dachte ich, dass ich jetzt voll die Krise kriege. Da fangen die doch tatsächlich an, die Koffer zu packen und die Urlaubshütte notdürftig zu reinigen. Hallo? Wir sind gerade mal drei Tage, einen Kalbsknochen und sechs Möwenschwärme lang hier! Sollte das alles gewesen sein? Ehe ich mich versah, saß ich wieder in der Autokiste und die Heimfahrt begann.
Kurzer Stopp bei McDoof und zum Tanken in Isigny-sur-Mer. Dann ein Umweg über
Cricquebœuf. Was soll das? Besichtigung eines Edelviertels für die haute société mit Ferienhäusern, die wo sich der Pleite-Klaus sowieso nicht mehr leisten kann. Also: Ich war stinksauer.
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