2012
Boh ey, der Klaus hat wohl ganz dem seinen Verstand verloren. Hat Anfang Mai unserer Labertasche im Armaturenbrett, der Lucy, ein neues Ziel eingegeben. "Maison Emma". Und ich sag noch, dass das ja wohl "Keremma" heißen müsste. Aber auf mich hört ja keiner. Kam dann auch so, wie’s kommen musste. Normal über Fritten-Belgien rüber nach Frankreich und die A2 runter bis zum Kreuz mit der A29 und dann ab nach Amiens. Aber nix da. Lucys übliche Floskel "an der nächsten Ausfahrt rechts abbiegen und der A29 folgen" blieb aus. Klaus fuhr weiter geradeaus und Lucy schwieg. Noch nicht einmal ein "wenn möglich, bitte wenden" brachte sie heraus.
Ende vom Lied: Wir landeten in einem Hotel gleich neben der Autobahn. Zweimal tauschten Klaus und Sabine das angebotene Zimmer wieder um, weil die Jalousien kaputt waren. Billige Absteige aus dem Internet eben. Dann ließen sie mich auch noch allein im Zimmer zurück, weil sie dinieren wollten. Auch das Essen ließen sie wieder zurückgehen, weil ihnen der Garpunkt des Entrecôtes nicht genehm war. Konnte ich alles vom Fenster aus sehen, weil der Speisesaal direkt gegenüber von unserem Zimmer war. Die angebrochene Pulle Côte du Rhône und ein adäquates Trinkgefäß brachte der Klaus sich mit aufs Zimmer, nachdem er sich „zur Verdauung“ noch einen dreifachen Calvados hinter die Binde gekippt hatte. Am nächsten Morgen, nach ein paar Bröckchen Hundefutter für mich und einem erbärmlichen Frühstück für die Zweibeiner, hatte Lucy im Armaturenbrett ihre Sprachsteuerung wiedergefunden und lotste uns zurück zur Autobahn. Schickte den Klaus doch glatt in die falsche Richtung! Statt Richtung Lille und Amiens düsten wir also Richtung Paris. Macht doch alle, was ihr wollt, dachte ich mir, rollte mich gemütlich ein, nahm meine als Nucki unschlagbare Schwanzspitze ins Mäulchen und döste ab. Zwischendurch träumte ich vom Tour d ‘Eiffel, dem Arc de Triomphe, der Champs Elysée, dem Montmartre und – Klausens miserablen Allgemeinzustand im Hinterköpfchen – dem L' Hôtel national des Invalides. Als mein Klaus das Fluchen eingestellt hatte, hatten wir auch Paris hinter uns gelassen. Die Autobahn führte uns vorbei an den berühmten Städten Orléans, Tour und Poitiers.
Und als ich das nächste Mal wieder aufwachte, da war die Lucy voll am Spinnen. Sie krächzte „bitte geradeaus fahren“ obwohl direkt vor uns eine Kaimauer war. Zum Glück stand da ein großes Schiff, in den der Touran und noch viele weitere Autos hinein passten. Die hatten wohl alle das gleiche blöde Navi wie der Klaus. Wenden konnte keiner mehr und so kam es, wie es kommen musste: Das Schiff legte ab und wir fügten uns in unser Schicksal. Ich machte darauf aufmerksam, dass ich weder für die Britischen Inseln noch für die USA im Besitz gültiger Einreisepapiere wäre.
Aber schon nach einer Viertelstunde legte das Schiff wieder an und machte die Türen vorne auf, sodass wir mühelos wieder festen Boden unter die Räder bekamen. Und jetzt ließen Sabine und Klaus die Katze aus dem Sack. Nicht die Bredouille und auch nicht die Ardèche waren diesmal unser Ziel, sondern die Halbinsel Gironde. Genauer: das Médoc. Nach weiteren dreißig Minuten Fahrt, vorbei an Kuh- und Pferdewiesen und beeindruckenden Weinfeldern, erreichten wir Gaillan-en-Medoc und unser Ferienhaus „Maison Emma“.
Hier also lag der Hase im Pfeffer. Außer Keremma gibt es also auch ein Maison gleichen Namens. Ein überraschend in weiß-blau gehaltenes imposantes Anwesen mit reichlich Grundstück und komfortablen Räumlichkeiten. Sabine baute auch prompt im Garten meinen Miniparcours für durchgedrehte Aussies auf und ich fand in den Büschen ein Bällchen ohne Luft und eine Plastikmöhre mit ohne Quietsche zum draufrumbeißen. Toll!
Am nächsten Tag, so wie auch in den kommenden 14, fuhren wir an die Atlantikküste an den Strand. Das dauerte länger als erwartet und ging schnurgerade – und wenn ich schnurgerade sage, dann meine ich auch schnurgerade – durch die Pinienwälder immer so lange, bis es sandig wurde.
Da war dann hinter den Dünen das Meer. Riesiger Strand. Ansehnlicher Wellengang und landestypische Bebauung. Deutsche Bauwerke. Die uns aus der Normandie und der Bretagne allseits bekannten Restposten von Stahlbetonbunkern aus dem Zweiten Weltkrieg. Sind einfach nicht kaputt zu kriegen und ob die seit einigen Jahren übliche Bemalung mittels Graffiti wirklich der Verschönerung dient, wage ich zu bezweifeln. Übrigens gab es außer den Bunkern keinerlei Abwechslung.
Meer, Sand, Düne und dann Pinienwald. Also: Meer, Sand, Düne und dann Pinienwald. Lucy hatte uns, je nach Ausgangspunkt, über drei unterschiedliche Routen zum Strand gelotst und das war uns Dreien nicht aufgefallen. Denn wir fuhren ja in Richtung Strand auf allen drei Routen schnurgerade durch den Pinienwald, bis der Sand kam, wir parkten, über die Düne an den Strand und bis ans Meer gingen.
Einen Tag haben wir auch einen Ausflug gemacht. Ihr wisst ja: Ausflug ist, wenn Klaus und Sabine sich Sachen angucken und hin und her fahren und ich hinten in der Autokiste mich langweile. Da hat der Klaus übermütig mit dem Touran ein Wendemanöver am Strand gestartet. Den Reifenspuren eines anderen Wagens folgend. Bloß jener hatte wohl Allradantrieb – der Klaus seit 2006 leider nicht mehr. Steckten also fest mit dem dusseligen Frontantrieb und dem an dieser Stelle voll nutzlosen „Schlechtwegefahrwerk“. Kamen aber gerade zwei hilfsbereite einheimische Grazien vorbei, die uns aus der Bredouille mittels Schieben befreiten. Zum Glück musste ich nicht auch noch aussteigen und deuen. Seltsam, von diesem Ereignis habe ich in Kläuschens Fotoalbum gar keine Bilder gefunden …
Und als wir schließlich Morlaix erreichten, einen kleinen Schlenker auf meine N12 einlegten und die Ausfahrt Richtung Roscoff, St.-Pol-de-Leon und Carantec nahmen, wurde mir warm ums Herz. Wir näherten uns meinem geliebten Keremma. Plouescat, Trouz-ar-Mor und endlich Vögel zum Jagen. Am Atlantik finden es nämlich selbst die Möwen landschaftlich zu langweilig und fliegen lieber hier an die Côte des Legendes. Trouz-ar-Mor war wohl schon anderweitig vermietet und so parkten wir vor dem Ty-ar-Roc’h, quasi der Wiege meiner bretonischen Abenteuer.
Und dann das: Steht doch plötzlich dieser Sisu, mein Cousin aus der Eifel, neben mir und grinst blöde. Auch dem Klaus, dem sein Bruder und dem Klaus, dem seine Schwägerin wagten, es den heiligen Boden Keremmas zu betreten. Wo kamen die bloß her. Na egal. Geht mir doch an der Kruppe vorbei. Und wenn dieser Sisu, das Weichei, sich nicht anständig benimmt, gibt’s auf die Fresse, damit das klar ist! Seltsamerweise habe ich mich dann aber doch ganz gut mit ihm verstanden und wir sind sogar mehrmals zusammen den Vögeln nachgejagt. Nur beim Wasser machte er den Yannemann. Allerdings, so wird kolportiert, zum Ende der Ferien wäre er sogar geschwommen. Aber da waren wir schon wieder zurück in Bochum. Leider einen kleinen Augenblick zu spät, um die 3 : 5 – Niederlage der Nationalelf gegen die Schweiz noch live mitzuerleben.
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